Von Michael Schulze aus Cottbus


Einmal etwas ganz verrücktes machen, das war mein Ziel. Als früherer Radsprinter war alles über 80 km unvorstellbar weit. Nach der Anreise auf dem Fichtelberg am Freitag hatte ich Bauchgrummeln, was habe ich mir vorgenommen? Bin ich wahnsinnig? Nach einer schlaflosen Nacht kam der Tag der Wahrheit. Vom Frühstück aus konnte man die Organisatoren bei der Vorbereitung des Starts beobachten. Alles schien wie am Schnürchen zu laufen. Nach dem reichhaltigen Frühstück folgte die eigene Vorbereitung und der Puls ging hoch, ohne etwas dafür zu tun. Ich wollte die Fahrt und jeden Augenblick genießen. Es sollte eine einmalige Sache sein. Im Fahrstuhl dachte ich, wenn der jetzt stecken bleibt, brauchst du nicht fahren. Aber er blieb nicht stecken. Schon standen wir am Start und es ging los. Alles lief super und verging wie im Flug. Der heiße Tag und die trockene Nacht waren schnell vorbei. Als wir Putgarten durchfahren haben, sahen wir den Leuchtturm und das Ziel. Jetzt lief es mir kalt den Rücken runter, du hast es geschafft, oh schade es ist schon vorbei!
Am nächsten Morgen gingen mir dann die erlebten Dinge nach und nach durch den Kopf. Es waren die kleinen Sachen während der Fahrt, die das ganze so schön machten. Schon das Läuten der Friedensglocke vor dem Antritt der Tour war Einzigartig. Das Runterzählen bis zum Start und die rasante Abfahrt hinter dem Führungsfahrzeug waren toll. Mit ein bisschen Phantasie fühlte man sich wie bei der Tour de France. Sogar einige Zuschauer hat es an die Strecke gezogen. Lustig waren dann die Leute, die uns kurz nach dem Start zuriefen, ob wir denn wüssten, wie weit es noch sei. Die bergige Strecke war wunderschön. Wir in Cottbus haben die Calauer Schweiz oder die Steinitzer Alpen, die Hügel stellen aber niemanden vor größere Probleme. Dort habe ich auch trainiert, aber das kann man doch nicht mit dem Erzgebirge vergleichen. Nach der ersten Pause ging es in der 2. Gruppe weiter. Ein Kompliment an alle Fahrerinnen und Fahrer meiner Gruppe. Jeder fuhr rücksichtsvoll gegenüber den Anderen und Hindernisse wurden angezeigt oder laut gerufen. Beeindruckend war auch das Fahrer mit 60 Jahren und auch noch darüber die Strecke auf sich genommen haben, alle Achtung. Den Himmel immer im Blick (der Wetterbericht sagte nichts Gutes voraus) rollten wir bald den 2.Verpflegungspunkt an. Die Vorfreude war groß und ich glaube Unterwegs zugenommen zu haben. Alle fleißigen Helfer die den Imbiss vorbereitet, transportiert und immer wieder aufgebaut haben, vielen lieben Dank. Nicht einmal die Flaschen durften wir alleine füllen, es war immer ein netter Helfer oder Helferin zur Stelle, es sollten wohl keine unnötigen Energien verschwendet werden . Schon die Verpflegung allein ist ein Grund noch einmal zu fahren. Mein persönliches Highlight war die Kartoffelsuppe in der Nacht. Von der Sonne wurden wir den ganzen Tag verwöhnt. Zur Belohnung gab es Getränke aus dem Auto und wir kamen Potsdam langsam näher. Nach reichhaltiger Nahrungsaufnahme vor der Stadt ging es im rasanten Tempo durch Potsdam. Bei freier Fahrt, dank der beiden Polizeimotorräder, die sichtlich auch ihren Spaß hatten, war das eine super Sache. Viele Leute klatschten. Ich glaube die meisten wussten nicht, wo wir gestartet waren und wo wir noch hin wollten. Ansonsten hätten uns einige vielleicht einfangen wollen. Hinter Potsdam zeigte ich Henri meinen Tacho. Da standen 300 km drauf, länger bin ich in meinem Leben noch nie gefahren. Außer meinem Hintern tat noch nichts weh, kommt bestimmt noch. Aber Schmerz ist ja nur Schwäche die den Körper verlässt . Mittlerweile wurde es Zeit, mein Licht anzuschalten. In der Nacht bin ich noch nie Rennrad gefahren, macht man ja auch eigentlich nicht. Im Winter habe ich mal mit Licht trainiert. Vollgepackt mit dem Frontlicht, Rücklicht, Rücklicht am Helm und zur Sicherheit noch Reflexbänder mit LED an den Knöcheln. Die entgegenkommenden Autos sind langsam und ganz weit am Rand gefahren. In der Stadt wurde ein Polizeiauto auf mich aufmerksam und inspizierte mich beim langsamen Überholmanöver. So etwas haben die bestimmt auch noch nicht gesehen. Die dachten wohl da fährt ein Weihnachtsbaum spazieren.
Glücklicherweise war es immer noch trocken und die Sicht wurde so nicht noch schlechter. Auch das Wild blieb lieber im Wald. Vielleicht lag das auch an Olaf im Führungsfahrzeug, der sein Megafon aus dem Auto bei klassischer Musik in den Wald hielt. Da zahlt sich seine 15 jährige Erfahrung bei der Tour eben aus. Aber auch die tapferen Renner wurden mit einer Tanzeinlage aus dem Auto beglückt. Ich glaube da war nur noch der Hintern im Auto und Modern Talking hat dazu gespielt. Das Unwetter kündigte sich durch Blitze in der Ferne an. Es blitzte überall, rechts, links und vor uns. Das konnte nicht gut gehen, dachte ich mir und bestimmt auch die Anderen. Vor Neubrandenburg wurden wir mit einem Transparent begrüßt (NB Grüßt Fichkona), nette Geste. In der Stadt hat uns die Polizei wieder überall freie Fahrt verschafft. So verging die Nacht wie im Flug, nicht zuletzt wegen des Red Bulls, bei einer der zahlreichen Pausen. Es wurde langsam hell und wir hatten uns wieder ein Päuschen verdient. Vor der Weiterfahrt blickten wir zum Himmel und entschlossen uns unterzustellen. Kurz darauf zahlte es sich aus, denn das Unwetter hatte uns ein. Nach 20 Minuten war alles vorbei und wir setzten die Fahrt mit Regenbekleidung fort, was niemanden zu stören schien. Es hätte viel schlimmer kommen können. Wir näherten uns Rügen und der beeindruckenden Rügenbrücke. Schade, dass wir sie nicht nutzen durften. Beim letzten Imbiss konnte ich leider nichts mehr essen, es ging nichts mehr rein. Anschließend wurde beschlossen mit der ganzen Gruppe ins Ziel zu fahren. Ich fand das sehr gut und ich glaube, es war für alle schöner, als wenn wir einzeln angekommen wären. Auch Olaf hat sich noch einmal ins Zeug gelegt und lustige Mitteilungen auf seiner Tafel ins Feld gezeigt. Schade, dass ich keinen Fotoapparat dabei hatte. Lustigerweise wurde uns beim Pinkelstopp ca.15 km vor dem Ziel noch ein Platz im Begleitauto angeboten, dies hat wohl niemand in Anspruch genommen. Die letzten Kilometer bis zum Kap waren in mir von trauriger Stimmung. Es verging alles viel zu schnell, aber die Erinnerungen bleiben. Eine super Fahrt ging zu Ende, eine Fahrt voller schöner Eindrücke. Nach meiner Anmeldung letztes Jahr habe ich zu Schaddi (meiner Frau) gesagt, ich will das nur einmal machen, außer Olaf sagt mal wir fahren zum Kap und wieder zurück. Jetzt fahre ich nochmal, hoffentlich bald. Das Andere, mit der Tour wieder zurück, wer weiß? Vielen Dank Olaf und deinem Team, Ihr seid Deutschlands weltbeste Langstrecken-Crew !!!