
Fichkona, warum eigentlich? (von Stefan Ropers aus Moers/Ruhrpott)
Sind Fahrrad-Langstreckenveranstaltungen eher etwas für die Psyche oder für die Beine? Solange man im Trainingspuls bleibt kann der Körper dass ganze durchaus vernünftig vertragen – und die Versorgung ist bei Fichkona sowie die beste „ wo gibt“.
Also was ist das mit der Psyche: Rundkurse (solange es nicht um den Vättern See geht) sind eine sichere Veranstaltung: Man kann überall abbrechen, die kurze Strecke nehmen und hat seine Versicherung. Und versichert sind wir alle gerne. Also keine Angst vor Rundkursen.
Aber long distance rides … ohne Versicherung … bei Regen … im Dunkeln …
Sich dafür anzumelden ist nicht jedermanns Sache.
Entweder 1.) ist man jung und hat keine Ahnung oder 2.) ist in der Midlife Crisis oder 3.) hat eine Wette laufen. Ich habe vor 20 Jahren mit 1.) begonnen und die marziallische Strecke von Trondheim nach Oslo mit einer Rennmaschine aus der Zeit von Stahl&Eisen bewältigt. Inzwischen bin ich wahrscheinlich bei 3.) angekommen und habe geschaut, was es heute so gibt.
„Zum Baden ans Meer“ klingt nach Sommer, Sonne, guter Laune. Also anmelden.
Und jiph, obwohl es nur 180 Startplätze gibt, habe ich einen. Also muss der wertvoll sein. Keine Zeit zum Nachdenken: Die Reise wird geplant werden: Anreise aus Duisburg über Dortmund, Leipzig, Chemnitz nach Annaberg; schnell und sicher mit der Bundesbahn. Anschluss verpasst aber das freundliche Hotel nahm mich auch um Mitternacht noch auf. Dann ging es nach Cranzahl und weiter mit dem Dampfzug durchs Erzgebirge. Die letzte Etappe von Oberwiesenthal bergauf zum Startpunkt war schon eine Ackerei; Als erstes treffe ich XXX, der zum Training seine Runde zieht. Für mich ist erstmal Feierabend, gegen Abend bin ich wieder ansprechbar. Inzwischen sind lauter Freaks hier angekommen: Der Banker aus Heide, die Kollegen aus Hannover, das Mädel in Panik, der Profi aus Belgien und die Vier aus Dresden, die zum Frühstück erstmal Himbeeren aus dem eigenen Garten auf den eigentlich gut gedeckten Tisch gestellt haben. Noch Fragen? Ich bin hier richtig!
Die Glocke läutet, Sonnenschein, es geht los …
Drei Skodas kreisen wie Satelliten um uns herum und geleiten uns mit einer irren Show durchs Erzgebirge und durch Chemnitz. Unglaublich, wie schnell man eine Kreuzung sperren kann – Das SEK wäre nicht besser! Dann kommt der Moment der Trennung: Soll man weiter Kuchen, Pasta und Süppchen essen oder mit einer der frühen Gruppen ab V1 weiterfahren. Schwere Entscheidung, die Verpflegung ist super.
Aber es bleibt bei Gruppe 3 und Rückenwind trägt uns nach Norden durch den Tag und in den Abend. Unsere Gruppe bummelt etwas und so gehen wir gemeinsam mit der 4 durch Potsdam – mit Polizeieskorte, die wieder wie die Satelliten um uns kreisen – einfach genial. Potsdam am Abend, Volksfest, Party, warm – und dann ab in die Nacht, ins Dunkel, das Grauen, MeckPom.
Irgendwann sehe ich ein Schild wie im Traum(a): Stralsund 244 km – das ist dann wieder etwas für die Psyche: 8 Stunden plus Pause geradeaus. Aber es wird noch schlimmer. Das Wetterleuchten ist schon lange links und rechts von uns zu sehen und 15km vor dem nächsten Stopp auch zu Hören. Anhalten, Beratung: Regenjacken rausholen oder unterstellen, falls das Unwetter kommt oder einfach weiter? „Wir“ sind ein paar verwegene Mädels aber im Wesentlichen „Männer über 40“ und fahren natürlich ohne Regenjacke weiter. WAS FÜR EIN SCHEI… . Nach 5 Minuten sind wir im Unwetter, Lichtanlagen fallen mit Kurzschluss aus, meine Pulsuhr hat’s zerlegt und alles ist durchnässt – super Idee. Dann endlich die Pause, unterstellen. Der große Wäschesack ist die Rettung; 1x komplett umziehen und alles „ganz toll“ finden. Das nächste Unwetter kurz vor Stralsund haben wir dann wie die Pinguine unter dem Verpflegungszelt überstanden. Hierzu musste auch jede Zeltstange festgehalten werden. Hätte unser Capitano hier gesagt: „wir brechen ab“ hätte ich kein Problem gehabt. Aber ein Capitano bricht nicht ab sondern hat das Ziel, alle Teilnehmer heil&sicher nach Kap Arkona zu bringen. Vielen Dank an unseren !!!
In Stralsund ist alles vorbei, Sommer, Sonne, gute Laune und nur noch wenige Stunden zum Ziel.
Fichkona, warum eigentlich: Es gibt viele Gründe – eine Wette sollte es nicht sein.