Vom Berg zum Meer von Paolo Ferrara


Meine nunmehr vierte Fichkona-Teilnahme erfolgte eigentlich eher zufällig. Da 2010 die Termine für das 600er Brevet und die Fichkona nur eine Woche auseinander lagen, verzichtete ich auf die Fichkona. Das 600er Brevet 2010 fuhr ich dann zum Ausgleich auch nicht.

Im Jahr 2011, im “Paris-Brest-Paris”-Jahr, lagen das 600er Brevet und die Fichkona auch nur zwei Wochen auseinander. Allerdings wurde der Anmeldemodus für die Fichkona geändert. Galt sonst immer wer zuerst kommt, mahlt zuerst, wurden die Teilnehmer erstmals durch Los ermittelt. Prima, dann konnte ich mich ja ruhig anmelden. Ich würde ja eh keinen Startplatz bekommen.

Jedoch, am 18.12.2010 verkündete der elektronische Postillon: Gratuliere, du hast den Startplatz schon. Bevor mir Zweifel widerfuhr, überwies ich flugs die Startgebühr.
Doch nun genug der Reime.

So kam es, dass ich am 23. Juni zum Fichtelberg anreiste, um noch einen entspannten Freitag vor dem Start zu verbringen.
11fichkona1Freitagabend füllte sich das Restaurant zusehends mit Fichkona-Teilnehmern (irgendwie erkennt man die Kandidaten sofort, komisch), als ich plötzlich ein Déjà-vu hatte: Stefan aus Chemnitz bog um die Ecke. Gleicher Ort, gleicher Anlass wie 2009. Super, für Unterhaltung war gesorgt! Diesmal wurde er begleitet von seiner Freundin Claudia. Sie hatte etwas Bammel vor ihrer ersten Teilnahme. Wir versicherten ihr jedoch, dass die Fichkona im Prinzip nur bergab führte und ständiger Rückenwind herrschte. Also überhaupt kein Problem für jemanden, dessen längste Fahrradtour bis dahin 240 km war. So ganz nahm sie uns das nicht ab, merkwürdig.

Nach einem reichhaltigen Abendmahl zog ich mich auf mein Zimmer zurück und hörte, was der Wetteronkel für den Samstag prophezeite: Böiger Westwind mit viel Regen bei Temperaturen bis 18°. Was will man mehr! Beruhigt bettete ich mein müdes Haupt zur Nachtruhe.

Am Starttag fanden wir uns um 7:00 Uhr zum Frühstück ein und genossen das herrliche Fichtelberg-Sommerwetter: Nebel und 7°. Sollte die Wettervorhersage Recht behalten?
Wir sahen dem zunehmenden Gewusel auf den Parkplätzen und vor dem Hotel zu.

8:00 Uhr die Entgegennahme der Startnummer. Dann ging alles ganz schnell: Sachen für Rügen und Begleitfahrzeug packen, Zimmer räumen, auschecken, Fahrrad und Fahrer startbereit machen, Taschen in die Begleitfahrzeuge.

Kurz vor 10 Uhr eine letzte Ansprache von Olaf Schau, dem Initiator der Fichkona und zum Start wurde die Glocke auf dem Fichtelberg geschlagen. Der Nebel hatte sich verzogen und es ging den Fichtelberg hinunter, durch Oberwiesenthal und weiter Richtung Chemnitz, immer wieder an Zuschauern vorbei, die links und rechts der Strecke standen. 11fichkona2Die 45 km bis zum ersten Halt liefen super. Nach kurzer Pause wurde die Aufteilung in die vier Tempogruppen vorgenommen. Ich hatte mich wie sonst auch für die Gruppe 2 ((30-32) km/h) gemeldet und verabschiedete mich zunächst von Stefan und Claudia, die sich für Gruppe 3 ((28-30) km/h)gemeldet hatten. Da das Tempo der Gruppe 2 jedoch viel höher war als sonst und die Begleitfahrzeuge auch kaum Anstalten machten, das Tempo zu drosseln, war ich bei der zweiten Verpflegung bei km 180 völlig breit. Trotz der vielen Anstiege, die sich auf ca. 2000 Hm summierten und des ständigen Nordwestwinds zeigte mein Tacho einen Schnitt von 32,3 km/h. Als die Gruppe 3 eintraf, wechselte ich in diese (wie etwa 50 andere aus Gruppe 2, was zur Folge hatte, daß plötzlich Gruppe 3 die größte war).
Fortan ging es auf der nunmehr tellerflachen Strecke viel entspannter weiter. An der Verpflegung in Michendorf (km 275) wartete bereits ein Polizist mit Motorrad und wir fuhren mit Polizeigeleit durch Potsdam. Jede Ampelkreuzung von einem Polizeimotorrad mit Blaulicht blockiert, so daß wir immer freie Fahrt hatten. Spektakulär!
Bis Gransee (km 370) hatte ich mich regeneriert, es lief wieder richtig gut. Kurz nach der Verpflegungspause bogen wir falsch ab und standen plötzlich mit allen Mann inklusive Begleitfahrzeugen inmitten eines idyllischen Wohngebiets im Dunkeln. Ein Anwohner, der ob der merkwürdigen Ansammlung nach dem Rechten sah, wurde nach dem Weg nach Rügen gefragt und zog sich eilends ohne Antwort zu geben zurück.
Wieder auf dem rechten Weg fuhren wir in die lauschige Nacht hinein. Entgegen den schlechten Vorhersagen blieb es trocken und wegen des bedeckten Himmels bei moderaten Temperaturen. Die Gruppe rollte auf einsamen Straßen durch die Nacht, angeschoben von leichtem Rückenwind. Nach und nach verstummten die Gespräche und es war nur noch das Surren der Ketten zu hören.
In der Morgendämmerung näherten wir uns der Ostsee. Bei der Durchquerung von Stralsund (km 550) gerieten wir abermals auf Abwege, was einige Gemüter erhitzte. 11fichkona3Mein Einwand, dass wir doch zum Radfahren hergekommen seien und der Weg wirklich idyllisch sei, wurde mit teils verständnislosen, teils vernichtenden Blicken quittiert. Jippie, es wurde immer lustiger.
Ein Einsatzwagen der Polizei geleitete uns kurze Zeit später über die Stralsundbrücke (Durchfahrt für Fahrräder normalerweise nicht gestattet), auf der eine Fahrspur eigens für uns freigehalten wurde, nach Rügen. Wieder ganz große Klasse!
Die Kopfsteinpflasterdurchfahrt von Sagard (km 605) ließ die Gruppe auseinanderfallen und das Tempo im vorderen Bereich zog an. Zusammen mit ein paar Versprengten ging es bei mittlerweile wieder kräftigem Gegenwind nordwärts. Nach dem Abzweig Richtung Altenkirchen winkte ich meine Mitfahrer vorbei und rollte die letzten Kilometer zum Kap Arkona locker aus.
Nach 637 km und einer Nettofahrtzeit von 20:35 h wurde ich dort um 10:50 Uhr mit großem Hallo empfangen und der gemütliche Teil konnte beginnen.
Fazit: Dank der interessanten Bekanntschaften, der tollen Organisation und der Rundumversorgung durch die Fichkona-Crew war die Fahrt wieder ein ganz besonderes Erlebnis.

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