FICHKONA Erlebnisbericht 2012 von Manfred Gayer aus Pocking/Bayern


Schnell mal mit dem Rad zum Baden an die Ostsee

Mit dem Rad zum Baden. Da ist man für gewöhnlich nur ein paar Kilometer unterwegs.
Nicht so bei mir.
Auch ich bin mit dem Rad zum Baden gefahren – allerdings 620 Kilometer weit und zusammen mit 179 anderen Teilnehmern beim „Fichkona“.
Praktisch Nonstop ging es da vom 1214 Metern hohen Fichtelberg / Erzgebirge bis zum Kap Arkona auf der Insel Rügen, dem nördlichsten Punkt Deutschlands.
Nonstop bedeutet: kein Schlaf, keine langen Pausen, sondern –wie wir aus der Gruppe 4, über 25 Stunden auf dem Rad.
Zum 15. Mal fand die Veranstaltung heuer statt (ein kleines Jubiläum – obwohl Olaf bei der Abschlussbesprechung am Campingplatz gesagt hatte, er möchte daraus „keine Jubiläumsfeier machen“ …. Warum eigentlich nicht ? …. Wäre doch angebracht) und die Teilnehmer mussten seinerzeit per Losverfahren ermittelt werden. Ich hatte Glück und erhielt Anfang Dezember 2011 die erfreuliche Nachricht „Du bist dabei !“

Die Tour startete am Samstag 30.6.2012 um 10.00 Uhr am Fichtelberg und das jedoch nicht besonders glücklich für mich. Denn schon nach ca. 1,5 Kilometern bei der Abfahrt wurde ich durch einen riesigen Knall aus meiner „Startletargie“ gerissen, mein Hinterreifen war geplatzt und ich hatte alle Mühe und Not (um einen Sturz zu verhindern) mein Rad zum Stehen zu bringen. Dabei hab ich mir mein erst vor etwa 4 Wochen neu gekauftes Carbonlaufrad ramponiert (Schei… dachte ich, geht ja schon gut los).
Zum Glück hatte ich einen zweiten Satz Laufräder im Begleitfahrzeug deponiert und konnte dadurch relativ schnell wieder „flott gemacht werden“.
Satte 18 Kilometer hat es dann jedoch gedauert, bis ich die enteilte Gruppe wieder eingeholt hatte (Puls war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr messbar  ).
Und auch das Wetter hielt so manche Widrigkeit bereit: In Chemnitz 35 Grad, schweres Unwetter morgens um 4.30 Uhr in Vorpommern, starker Gegenwind, zwischendurch wieder Hitze und Sonne.

Warum tu ich mir das an ? Was soll diese Frage ? Ich trainiere wöchentlich ca. 15-20 Stunden auf dem Rad und es kommt der Punkt, wo die Herausforderung wartet. Und ich fragte mich: zu welcher Leistung bin ich in der Lage ? Wie weit kann ich Tiefpunkte und Strapazen widerstehen ?. Es gilt die eigenen Grenzen auszuloten.
Bin ich doch in den letzten Jahren schon jede Menge an Radmarathons mehrmals gefahren ( darunter u. a. Ötztaler Radmarathon, Engadiner Radmarathon, Radstatter Radmarathon, Salzburger Radmarathon, Wachauer Radmarathon usw.) aber einen „Nonstop-Langstreckentrip“ hab ich noch nie gemacht. Jetzt wurde es aber dafür Zeit.

Natürlich gab es auf dem über 620 Kilometern langen Ritt auch Tiefpunkte. Doch die Gruppendynamik erleichterte es mir dagegen anzukämpfen. Wir halfen uns sehr bei Gegenwind, wechselten uns in der Führung regelmäßig ab, und die Gruppe hilft auch bei Einsamkeit in der Nacht, indem man sich Witze erzählte (übrigens nicht immer druckreife  ) und „dumme Sprüche „ von sich gab.
Nur eines empfand ich überhaupt nicht während der Tour: Müdigkeit. Der Körper war auf Hochtouren, wurde aber relativ gleichmäßig belastet.
Ernährung war ein weiterer wichtiger Punkt. Natürlich jede Menge Trinken (bei mir waren es von Anfang bis zum Schluß ca. 25 Liter). Gegessen hab ich nur leicht verdauliches (Bananen), und Flüssignahrung (ensure plus).

Sonntag: Stralsund ist erreicht, noch ca. 70 Kilometer bis zum Kap.
Heftiger Gegenwind verlangt uns nochmals alles ab. Unser Tross wird plötzlich durch die Vorpommersche Polizei gestoppt, da sich hinter uns ein riesiger Autostau gebildet hat (Überholen schwierig da starker Gegenverkehr). Wir bekommen eine gut 20-minütige Belehrung durch einen sehr „korrekten“ Polizeibeamten, wie wir uns ab sofort zu verhalten hätten (jeweils nach kurzer Fahrstrecke wieder rechts ran, den Stau vorbeilassen und dann wieder weiter fahren und das selbe Spielchen immer und immer wieder … was soll das, frage ich mich und auch die Anderen waren auf Grund ihrer Gesichtsausdrücke nicht erfreut über diese Belehrung – so kurz vor dem Ziel und nun das – egal wir fuhren dann weiter – übrigens… das oben beschriebene „Spielchen“ haben wir dann nicht mehr wiederholt  ).

Wer allerdings gedacht hat, der Gegenwind und die Polizei sei nun das letzte Hindernis auf den letzten Kilometern zum Kap, sah sich getäuscht. Gröbstes Kopfsteinpflaster wartete noch auf uns. Wer inzwischen evtl. mit Müdigkeit zu kämpfen hatte, der wurde hier nochmals so richtig wachgerüttelt, auf eine Länge von ca. 1 km.

Das Ziel kam jetzt allerdings immer näher, Müdigkeit weicht der Euphorie, diesen „Wahnsinnsritt“ durchgestanden zu haben. „Der Gegenwind erhöhte nun nochmals seine Drehzahl“, doch endlich überfuhren wir gegen 13 Uhr die Ziellinie am Kap Arkona.

Wenn man von der tatsächlichen Gesamtzeit (ca. 27 Stunden) die 1,5 Stunden Zwangspause an der Tankstelle wegen dem Unwetter sowie den „Polizeistopp“ abzieht dann hat unsere Gruppe eine reine Fahrtzeit von ca. 25 Stunden erreicht… und das ist doch ganz in Ordnung, bedenkt man, dass die meisten von uns (ich ebenso) sog. „Ersttäter“ waren und solche lange Distanzen im Vorfeld noch nie gefahren waren.

Viele Zuschauer feiern und bejubeln uns als wir alle über dem Zielstrich gefahren waren. Wir gratulierten uns gegenseitig und waren happy es geschafft zu haben. Bei dem einen oder anderen flossen auch ein paar Freudentränen – recht so… wir konnten alle Stolz auf uns sein.

Das Ende einer „Badetour“ der anderen Art.